Aramäische Sprachen


Die aramäischen Sprachen bilden eine genetische Untereinheit der semitischen Sprachen, die selbst ein Zweig des Afroasiatischen sind. Aramäisch und Kanaanäisch (dazu gehören z. B. Hebräisch und Phönizisch) sind die Hauptzweige des Nordwestsemitischen. Die Trennung des Aramäischen vom Kanaanäischen fand im Laufe der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. statt. Alle aramäischen Sprachen gehen auf das Altaramäische zurück, das seit Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends belegt ist.

Aus den klassischen aramäischen Sprachen entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte die etwa siebzehn neuaramäischen Sprachen der Gegenwart.[4] Diese haben etwa 550.000[1] bis 850.000[2] Sprecher meist jüdischen, christlichen oder mandäischen, selten muslimischen Glaubens.

Die ursprünglichen Verbreitungsgebiete liegen im heutigen Irak, Iran, Israel, dem Libanon, Palästina, Syrien und der Türkei; in der autonomen kurdischen Region Rojava in Syrien ist es eine der Amtssprachen. Durch Migrationsprozesse (Flucht, Umsiedlung, Auswanderung) gelangten Sprecher aramäischer Sprachen zunächst nach Russland, in jüngerer Zeit vor allem nach Nord-, West- und Mitteleuropa, Nord- und Südamerika sowie Australien.

Die wissenschaftliche Untersuchung dieser Sprachgruppe wird von der Aramaistik betrieben, die an Hochschulen oft als Teil der Semitistik angesiedelt ist. Klassisches westliches Aramäisch war die Muttersprache des Jesus von Nazaret.

Umstritten ist vor allem die Einteilung des Neuaramäischen.[26] Es ist zu beachten, dass die Grenzen der Sprachen Chaldäisch und Assyrisch (Letzteres ist nicht zu verwechseln mit der antiken Sprache Assyrisch, die nicht aramäisch, sondern ein Zweig des Akkadischen war) nicht exakt den Grenzen der Chaldäischen Kirche und Assyrischen Kirche entsprechen. Es gibt auch Dörfer der einen Kirche mit der jeweils anderen Sprache. In den südlicheren Ebenen sind viele chaldäische, assyrische, jakobitische, maronitische und andere Christen sowie Juden, Muslime und Mandäer teilweise schon seit Jahrhunderten zur arabischen Alltagssprache übergegangen (arabische Christen, arabische Juden usw.), nördlicher auch zu anderen Sprachen wie dem Kurdischen. Das gesprochene Neuaramäisch zog sich eher in die entlegeneren Gebirgsregionen zurück.

In der Literatur finden sich teilweise auch andere Einteilungen der neuaramäischen Sprachgruppen nach Regionen als in der obigen Liste, zum Beispiel in der Karte oben: Südost-Aramäisch (Senaya), Süd-Aramäisch (Koi-Sanjaq), Südwest-Aramäisch (Chaldäisch), Zentral-Aramäisch (Zentral-Hakkari) und Nord-Aramäisch (Nord-Hakkari).


Palmyrenische Inschrift
Neuaramäische Sprachen (als Minderheitensprachen) im 19.–20. Jahrhundert (Linguarium-Karte der Lomonossow-Universität Moskau)
Christliche Gruppen (Darstellung mit Farbflächen):
Grün schraffiert: Turoyo
Hellbraun: Hertevin (Nord-Bohtan)
Hellviolett: Senaya
Hellblau: Koi-Sanjaq
Gelb: Chaldäisch
Dunkleres Blau: Zentral-Hakkari (mit West-Hakkari und Sapna-Dialekt)
Grün: Nord-Hakkari
Dunkleres Braun: Urmia
Grün unterlegte Flächen: kompaktere nordostaramäische Besiedlungen Ende 19. Jh.
Violett schraffiert (links über dem Kasten): Flüchtlingssiedlungen Anfang 20. Jh. der Chabur-Assyrer (meist Nord- und Zentral-Hakkari)
Roter Stern (in der linken oberen Ecke): Mlahso †

Jüdische Gruppen (Verweis mit Ziffern):
1 Lishana Deni, 2 Judäo-Barzani/Lishanid Janan, 3 Lishanid Noshan, 4 Lishan Didan, 5 Hulaula mit Sprecherdörfern
Gestrichelt umrandete Dörfer: mit jüdischen und christlichen Sprechern. West-Neuaramäisch, Bohtan und Neu-Mandäisch sind außerhalb des Kartenausschnittes verbreitet.
Inschrift eines der Edikte des Ashoka aus der Nähe von Kandahar in griechischer Sprache und Schrift (oben) und reichsaramäischer Sprache und Schrift (unten). Nachdem das indische Maurya-Reich Ostteile des früheren Perserreiches erobert hatte, verwendete es das seit dem Perserreich etablierte Reichsaramäisch und das seit dem Hellenismus verbreitete Griechisch als regionale Schriftsprachen weiter.
Verbreitung der semitischen Sprachen um 500 v. Chr.
Zweisprachige Bibel, 11. Jh.: hebräische Verse (Leseabschnitt Bo) jeweils mit aramäischer Übersetzung nach dem Targum Onkelos.
Verzierte syrisch-aramäische Handschrift aus der Sammlung des Katharinenklosters am Sinai, 11. Jh.
Aramäischer Text über der Pforte des Klosters Mor Gabriel im Tur Abdin im Südosten der Türkei