Armut


Armut bezeichnet im materiellen Sinn (als Gegenbegriff zu Reichtum) primär die mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse (vor allem nach Nahrung, Wasser, Kleidung, Wohnraum, Gesundheit). Der Mangel an Geld ist hingegen nicht zwangsläufig mit Armut gleichzusetzen, sofern Subsistenzstrategien vorhanden sind, mit denen die Bedürfnisse anderweitig gedeckt werden können. Stärker auf den Mangel an finanziellen Mitteln bezogen ist der bisweilen synonym verwendete Begriff der Mittellosigkeit.

Im weiteren und übertragenen Sinn bezeichnet Armut jeglichen Mangel. Der konkrete Inhalt des Begriffes variiert dabei je nach historischem, kulturellem oder soziologischem Kontext und basiert teilweise auf subjektiven und zum Teil emotionalen oder kulturell geprägten Wertvorstellungen.

Die Herkunft des zugrundeliegenden Adjektivs arm ist zwar umstritten, wird aber mehrheitlich auf die germanische Wurzel *arҍma- zurückgeführt, das „vereinsamt, verwaist, verlassen“ bedeutet und mit griech. erḗmos (ἐρῆμος) „einsam“ in Verbindung gebracht wird.[1] Eine veraltete Bezeichnung für „sehr große Armut“ ist Mendizität (von lat. mendīcitās).

In den modernen Industriestaaten wird Armut häufig ausschließlich quantitativ auf Wohlstand und Lebensstandard bezogen, obwohl sie sich tatsächlich nicht auf das Fehlen materieller Güter reduzieren lässt. Das Verständnis von Armut unterscheidet sich in verschiedenen Gesellschaften. So bezeichnen sich beispielsweise Angehörige indigener Gemeinschaften erst dann als arm, wenn sie mit der enormen Vielfalt moderner Wirtschaftsgüter konfrontiert werden. Prinzipiell ist Armut ein soziales Phänomen, das als Zustand gravierender sozialer Benachteiligung verstanden wird.[2] Die damit verbundene „Mangelversorgung mit materiellen Gütern und Dienstleistungen“ wird jedoch äußerst unterschiedlich beurteilt. So hat sowohl die Entwicklungspolitik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als auch die aktuelle wirtschaftliche Globalisierung das ökonomische Tun traditioneller Subsistenzwirtschaften prinzipiell als „Armut“ deklariert. Damit wird das Produzieren, Verarbeiten und Vermarkten für die unmittelbare Versorgung mit einem Zustand gleichgesetzt, der aus Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit oder Unterdrückung folgt.[3] Ein Maßstab für Armut ist typischerweise das Haushaltseinkommen, obgleich häufig damit die mangelnde Ausstattung mit wirtschaftlichen Ressourcen gemeint ist.[4] Auch dies führt dazu, dass Selbstversorger – auch wenn sie materiell und sozial keinen Mangel leiden – zwangsläufig zu den Armen gerechnet werden. Zur Abgrenzung sollte man hier konkreter von „wirtschaftlicher Armut“ sprechen. Armut und Reichtum sind Gegenpole. Die im Folgenden beschriebenen Definitionen stehen ausnahmslos vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Armut nach westlichem Verständnis.


Bettler mit Kind am Straßenrand (Indien)
Arme Arbeiterfamilie 1902 in Hamburg
Die Definition von absoluter Armut gilt auch für Indigene und besonders für indigene Frauen, obwohl das Kriterium Armut in manchen Gemeinschaften für die soziale Selbsteinschätzung nicht wesentlich ist. Yanomami-Frau beim Korbflechten.
Anteil der Bevölkerung in absoluter Armut (2008)[6]
Nettovermögen deutscher Haushalte 2017 an bestimmten Punkten der Vermögensverteilung mit relativer Armutsschwelle für Vermögensarmut (in Euro).[9][10][11] Das Vermögen beim 50ten % entspricht dem mittleren Vermögen in Deutschland. Das Armutsrisiko beim Vermögen wird hier anhand einer relativen Armutsschwelle von 60 % des Medians bestimmt analog zum Armutsrisiko für Einkommen.[12] Im Gegensatz zur Armutsrisikoquote beim Einkommen liegen keine allgemein verbindlichen Definitionen für Vermögensarmut vor.
Sadhus (hinduistische Bettelmönche) in Kathmandu
Giotto di Bondone – Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel (Tempelreinigung).
Tanzender Derwisch in Omdurman, Sudan
Slum-Bewohner in Jakarta
Diamantenschürfen in Sierra Leone
Thomas Malthus
Karl Marx (1875)
Friedrich Engels (1891)
Darstellung des/der Teufelskreis(e) der Armut, wie sie in Schulbüchern oft anzutreffen ist
Daniel Patrick Moynihan
Francis Galton
AIDS ist für eine rückläufige Lebenserwartung in einigen südafrikanischen Staaten verantwortlich (Quelle: World Bank World Development Indicators, 2004).
Muhammad Yunus (Dezember 2004)
König Friedrich II. auf einer seiner Inspektionsreisen, begutachtet den Kartoffelanbau; Gemälde von 1886