Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Raudnitz (tschechisch Augustiniánský klášter v Roudnici nad Labem, auch klášter augustiniánů kanovníků; lateinisch Rudnicensis canonicorum regularium sancti Augustini) wurde 1333 durch den Prager Bischof Johann von Dražice in Raudnitz gegründet. Es war das erste Chorherrenstift in Böhmen und damit Stammkloster der nach ihm benannten „Raudnitzer Reform“ (Consuetudines Rudnicenses). Durch die reich ausgestattete Stiftsbibliothek und das stiftseigene Skriptorium wurde die Kanonie ein religiöses und kulturelles Zentrum im Königreich Böhmen und darüber hinaus.
Bischof Johann von Dražice hielt sich mehrere Jahre am päpstlichen Hof in Avignon auf, wo er den bis dahin in Böhmen unbekannten Orden der Augustiner-Chorherren kennenlernte. Nach der Rückkehr im Jahre 1329 beabsichtigte er, in der Prager Altstadt in der Nachbarschaft des Dominikanerklosters ein Augustiner-Chorherren-Stift zu gründen. Nachdem ihm die Zustimmung hierfür von der Stadtverwaltung verwehrt wurde, entschloss er sich, das geplante Stift auf seinem Gut in Raudnitz zu errichten. Dort befand sich bereits die bischöfliche Burg, die von Fürstbischof Heinrich Břetislav III. in den 1180er Jahren im Stil der Romanik errichtet worden war. Sie diente den Prager Bischöfen als Landsitz bzw. als Zwischenstation auf dem Weg nach Bautzen und in die Oberlausitz. 1330 und erneut 1332 forderte Bischof Johann einen Instruktor aus Avignon an, der die augustinischen Klosterregeln in Raudnitz bekannt machen und einführen sollte. Dieser stammte vermutlich aus dem Konvent des hl. Rufus in Avignon. Mit ihm zusammen kam wahrscheinlich auch der „Baumeister Wilhelm“ (mistr Vilém; auch Vilém z Avignonu) nach Raudnitz, dem der Auftrag zum Bau der Klosteranlage mit Kirche sowie der steinernen Brücke über die Elbe übertragen wurde. Die Genehmigung des Papstes Clemens VI. zum Bau der Raudnitzer Niederlassung wurde auf Wunsch des böhmischen Königs und späteren Kaisers Karl IV. mit der Bestimmung verbunden, nur Tschechen aufzunehmen. Diese Vorschrift wurde jedoch nach dem Tod des Bischofs Johann 1343 aufgegeben.