Als Balkanindogermanisch wird in der indogermanistischen Forschung die – vermutete – gemeinsame Vorstufe des Griechischen, Phrygischen und Armenischen bezeichnet; meistens wird auch das Albanische auf diesen Zweig der indogermanischen Sprachen zurückgeführt.[1][2]
In einem weiteren Sinne werden alle auf dem Balkan heute oder früher gesprochenen Sprachen indogermanischer Herkunft als „Balkanindogermanisch“ bezeichnet, ohne Rücksicht auf die genaue Herkunft der jeweiligen – oft nur fragmentarisch überlieferten – Sprachen. In diesem weiteren Sinne gehören auch das einst im heutigen Bulgarien gesprochene Thrakische, das einst im heutigen Rumänien gesprochene Dakische sowie das Illyrische zum Balkanindogermanischen.
Die Annahme eines gemeinsamen Ursprungs von Griechisch und Armenisch wurde erstmals 1924 von dem dänischen Linguisten Holger Pedersen formuliert, der in den Jahren zuvor nachgewiesen hatte, dass die Zahl der griechisch-armenischen etymologischen Wortgleichungen größer ist als die Übereinstimmungen zwischen dem Armenischen und irgendeiner anderen indogermanischen Sprache. Antoine Meillet untersuchte wenig später (1925, 1927) morphologische und phonologische Übereinstimmungen und postulierte, dass die Vorläufersprachen des Griechischen und Armenischen Dialekte waren, die in unmittelbarer Nachbarschaft der gemeinsamen Vorgängersprache gesprochen wurden. Meillets Hypothese gewann mit seinem „Abriss“ (Esquisse) von 1936 an Zustimmung.
Georg Solta wollte hingegen keine griechisch-armenische Protosprache annehmen, betrachtete aber ebenfalls angesichts der Parallelen in Wortschatz und Morphologie Griechisch als die eindeutig mit dem Armenischen am nächsten verwandte Sprache (1960). Hamp (1976) unterstützte wiederum die Hypothese einer balkanindogermanischen Protosprache mit der Formulierung, es habe eine Zeit gegeben „when we should speak of Helleno-Armenian“ (engl. f. für die wir von Helleno-Armenisch sprechen sollten). Einen Durchbruch für die Anerkennung einer balkanindogermanischen Protosprache brachte die Arbeit von Wolfram Euler Indoiranisch-griechische Gemeinsamkeiten der Nominalbildung und deren indogermanische Grundlagen (1979). Eine Zwischenposition vertrat zuletzt Clackson (1994), der eine griechisch-armenische Untergruppe des Indogermanischen zwar für nicht erwiesen hält, jedoch die armenische Sprache einer erweiterten griechisch-indoarischen Sprachfamilie zurechnet.
Die Annahme einer balkanindogermanischen Protosprache wirft Datierungs- und Lokalisierungsfragen auf. Nach dem kupferzeitlichen Ausbreitungsmodell der indogermanischen Sprachen aus dem nordpontischen Steppenraum könnte sich das Balkanindogermanische in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends herausgebildet haben; nach dem neolithischen Ausbreitungsmodell aus Anatolien dagegen je nach Quelle zwei bis drei Jahrtausende früher.