Machtergreifung


Mit Machtergreifung (auch Machtübernahme oder Machtübergabe) oder Machtergreifung der Nationalsozialisten wird die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 bezeichnet. Hitler übernahm an diesem Tag die Führung einer Koalitionsregierung von NSDAP und nationalkonservativen Verbündeten (DNVP, Stahlhelm), in der neben ihm zunächst nur zwei Nationalsozialisten Regierungsämter bekleideten; dies waren Wilhelm Frick als Reichsinnenminister und Hermann Göring als Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Zusätzlich zur eigentlichen Ernennung umfasst der Begriff die anschließende Umwandlung der bis dahin bestehenden parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik und deren Verfassung in eine nach dem nationalsozialistischen Führerprinzip agierende zentralistische Diktatur.

Nachdem am 1. Februar der Reichstag aufgelöst worden war, schränkten die Machthaber in den folgenden von nationalsozialistischem Terror gekennzeichneten Wochen die politischen und demokratischen Rechte durch Notverordnungen des Präsidenten ein. Als entscheidende Schritte auf dem Weg zur Diktatur gelten die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat (Reichstagsbrandverordnung) vom 28. Februar 1933 und das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933. Der Reichstag verlor damit praktisch jegliche Entscheidungskompetenz. Neben vielen anderen wurden auch Parlamentarier ohne Gerichtsverfahren in Konzentrationslagern eingesperrt und gefoltert.

Einige Historiker halten die bekannten Bezeichnungen Machtergreifung und Machtübernahme für wertend oder nicht präzise; sie schreiben daher von Machtübergabe, Machtübertragung oder Machtantritt.

Den Ausdruck Machtergreifung hat die Propaganda der NSDAP inklusive öffentlicher Reden Adolf Hitlers, Joseph Goebbels’ und anderer führender Nationalsozialisten, von seltenen Ausnahmen abgesehen, bewusst und konsequent vermieden und stattdessen Machtübernahme verwendet,[1][2] um der deutschen Öffentlichkeit, dort besonders dem Bürgertum, die Legitimität, Kontinuität und Friedlichkeit der Geschehnisse ab dem 30. Januar 1933 vorzuspiegeln, die keineswegs bestanden hatten. Vergleichbare, authentische Begriffe der zeitgenössischen NSDAP-Propaganda sowohl vor wie während der Zeit der NS-Herrschaft zur gewaltsamen „Machtergreifung“ bestanden allenfalls in „[Regierung] der nationalen Erhebung“ (oder „nationalen Erneuerung“), „deutsche Revolution“, sowie verschiedener Zusammensetzungen mit -revolutionär, wie etwa „national-revolutionär“ oder „sozial-revolutionär“;[3] oder auch in einer wiederholt beschworenen und sich angeblich in Massenveranstaltungen äußernden, die emotionalisierten Massen mitreißenden „Dynamik der Bewegung“.

In Deutschland feierten die Nationalsozialisten den 30. Januar als Tag der nationalen Erhebung und Beginn ihrer Machtübernahme mit einer angeordneten Beflaggung öffentlicher Gebäude mit der Hakenkreuzfahne.


Pressemitteilung des Berliner Abendblatts Der Angriff vom 30. Januar 1933 zur Machtergreifung
Nationalsozialisten veranstalten am Abend der Machtergreifung einen Fackelzug durch Berlin.
Berlin, 30. Januar 1933, 12:40 Uhr: Nach seiner Ernennung zum Reichskanzler verlässt Adolf Hitler im Auto die Reichskanzlei.
Am Abend des 30. Januar 1933 nimmt Hitler am Fenster der Reichskanzlei Ovationen von Anhängern und Sympathisanten entgegen.
Das Kabinett Hitler: 1. Reihe sitzend, von links: Hermann Göring, Adolf Hitler, Franz von Papen; 2. Reihe stehend: Franz Seldte, Günther Gereke, Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Wilhelm Frick, Werner von Blomberg, Alfred Hugenberg. Die drei Nationalsozialisten (Hitler, Frick, Göring in Anordnung einer Dreierpyramide) sind in diesem Foto von den restlichen Kabinettsmitgliedern „eingerahmt“ (Januar 1933 in der Reichskanzlei).
Schaubild: Das politische System des Reiches nach zwei Jahren Diktatur