Flagellum


Flagellen (lateinisch flagellum) oder Geißeln sind fadenförmige Gebilde auf der Oberfläche einzelner Zellen, die der Fortbewegung dienen. Sie sind bei Prokaryoten (Lebewesen ohne Zellkern) und bei Eukaryoten (Lebewesen mit Zellkern) hinsichtlich Struktur und Funktionsweise grundsätzlich verschieden:

Diese beiden völlig unterschiedlichen Organelltypen werden jeweils sowohl als Flagellen als auch als Geißeln bezeichnet, diese beiden Bezeichnungen werden also als Synonyme verwendet. Um jedoch dem unterschiedlichen Aufbau und der verschiedenen Funktion von Pro- und Eukaryotengeißeln nomenklatorisch Rechnung zu tragen, ist von deutschsprachigen Autoren folgende Sprachregelung vorgeschlagen worden:

„Die Geißeln der eukaryotischen Zellen haben einen sehr einheitlichen Aufbau. […] Der Begriff 'Flagelle' bleibt den ganz anders organisierten Fortbewegungsorganellen der Prokaryoten vorbehalten.“[1]

Im vorliegenden Artikel wird diese eindeutige Zuordnung der Bezeichnungen, also „Flagellum“ für Prokaryoten und „Geißel“ für Eukaryoten, weitgehend berücksichtigt (mit Ausnahme feststehender Begriffe wie Begeißelung). Zu bemerken ist aber, dass in anderen aktuellen Lehrbüchern diese Unterscheidung nicht gemacht wird.[2]

Bakterielle Flagellen sind extrazelluläre, wendelförmige Fäden („Filamente“), die über einen „Haken“ mit einem Motorkomplex in der Zellmembran (bzw. den Zellmembranen) und der Zellwand verankert sind. Die Flagellen einschließlich Haken und Motorkomplex bestehen vollständig aus Proteinen. Der Durchmesser der Filamente beträgt bei den meisten Flagellen etwa 15–20 nm, und sie sind hohl. Wegen ihres geringen Durchmessers sind sie nur mit Dunkelfeldmikroskopie und Elektronenmikroskopie sichtbar zu machen, mit normaler Lichtmikroskopie nicht; es gibt jedoch spezielle Färbeverfahren, durch die sie so weit verdickt werden, dass sie lichtmikroskopisch sichtbar werden.

Beim Aufbau der Filamente werden die Proteinmoleküle (Flagellin) durch den Hohlkanal der Flagellen bis zum äußeren Ende transportiert und dort angebaut. Falls ein ausreichend großer Vorrat an Flagellin in der Zelle vorhanden ist, kann der Aufbau eines Filaments sehr schnell geschehen.


Zelle von Escherichia coli mit Flagellen; durch Präparation verformt; Transmissions­elektronen­mikroskopie
Motorkomplex einer Flagelle eines gramnegativen Bakteriums. Das eigentliche Flagellum ist in Wirklichkeit wendelförmig.
Vibrio cholerae mit monotricher Begeißelung (links), Vibrio parahaemolyticus mit einer monotrichen und mehreren peritrichen Flagellen (rechts)
Anordnung der Flagellen polar begeißelter Bakterien
Anordnung der Flagellen peritrich begeißelter Bakterien bei Fortbewegung und Taumeln
Querschnitt durch Axoneme der Geißeln von Chlamydomonas rheinhardtii (Chlorophyta), Transmissionselektronenmikroskopie
Längsschnitt durch die Basis einer Geißel von Chlamydomonas rheinhardtii, Transmissionselektronenmikroskopie
Schema einer Eukaryoten-Geißel, 1 – Axonem, 2 – Zellmembran, 3 – Stofftransport innerhalb der Geißel, 4 – Basalapparat, 5 – Querschnitt durch die Geißel außerhalb der Zelle, 6 – Querschnitt durch den Basalapparat innerhalb der Zelle
Schema eines Querschnitts durch eine Eukaryoten-Geißel, 1A + 1B – Doppelmikrotubuli an der Peripherie, 2 – zwei einfache Mikrotubuli in der Mitte, 3 – Dyneinarme, 4 – Speichen, 5 – Nexin-Verbindungen, 6 – Zellmembran