Geschlechtsdetermination


Unter Geschlechtsdetermination werden jene Abläufe verstanden, die die Entwicklung des somatischen Geschlechts in einem Organismus bestimmen. Diese Abläufe finden bei Säugetieren und vielen anderen Arten in der Embryogenese statt. Bei manchen Organismen verändert sich das Geschlecht im Laufe ihres Lebens.

Erstere führt u. a. bei den Säugetieren, letztere u. a. bei vielen Reptilien zu einer somatischen Geschlechtsfestlegung.

Die meisten Organismen, die ihre Nachkommen durch sexuelle Fortpflanzung zeugen, kennen zwei biologische Geschlechter: Ihre Individuen werden eingeteilt in männlich oder weiblich. Bei anderen Arten gibt es Hermaphroditen, die männliche und weibliche Merkmale in einem Individuum vereinigen. Einige Fisch-, Echsen- und Insektenarten sind allesamt weiblich und reproduzieren sich durch Parthenogenese. Bei einigen Arthropoden wird das weibliche Geschlecht durch die Infektion mit Bakterien der Gattung Wolbachia erzwungen. Bei aus Hybriden bestimmter Ameisenarten (Pogonomyrmex barbatus und P. rugosus) hervorgegangenen Ameisen-Populationen sind die Väter von Arbeiterinnen und Königinnen genetisch voneinander verschieden.[1][2] Pilze haben keine Geschlechter, es gibt bei Schlauchpilzen und Ständerpilzen aber verschiedene Paarungstypen, die nur bei Verträglichkeit miteinander die Fortpflanzung einleiten können.[3] Der Gemeine Spaltblättling hat über 23.000 Paarungstypen, der Einzeller Tetrahymena hat sieben verschiedene Paarungstypen.

Von genetischem oder chromosomalem Geschlecht wird gesprochen, wenn die Geschlechtsbestimmung auf der Art oder Anzahl der vorhandenen Chromosomen beruht.

Wenn Weibchen und Männchen gleich viele Chromosomen haben, sich aber mindestens eins der Chromosomen bei Weibchen und Männchen unterscheidet, spricht man von Geschlechtschromosomen (Gonosomen). Beispielsweise haben bei Säugern Weibchen zwei X-Chromosomen, sie sind also bezüglich der Geschlechtschromosomen homozygot. Männchen haben ein X- und ein Y-Chromosom und somit unterschiedliche Geschlechtschromosomen, sie sind hemizygot (XX/XY-System). Das Y-Chromosom enthält das SRY-Gen, welches Bedeutung bei der Ausprägung des männlichen Genitaltraktes hat. Ist kein SRY-Gen vorhanden, kann dessen Wirkung vollständig oder zum Teil durch SOX9 und andere beteiligte Gene kompensiert werden. Bei Abwesenheit beider Gene wird laut Ergebnissen einer Studie das Gen FOXL2 aktiv und sorgt für die Entwicklung eines weibliches Genitaltraktes.[4] Ein ZW/ZZ-System kommt beispielsweise bei Vögeln vor. Hier sind die Weibchen hemizygot (ein W- und ein Z-Chromosom) und die Männchen homozygot (ZZ). Bei einigen Gruppen der Reptilien kommen ebenfalls Geschlechtschromosomen vor. Bei Fischen und Amphibien fehlen Geschlechtschromosomen meist.[5][6][7]


Entwicklung des weiblichen und männlichen reproduktiven Systems aus den gleichen embryonalen Organanlagen
Schematische Darstellung der Genitalentwicklung bei Säugetieren. Wichtige Faktoren: SRY, ein Gen auf dem Y-Chromosom; MIS (engl. Müllerian inhibiting substance), das Anti-Müller-Hormon; Testosteron.
Sequenzielle Hermaphroditen: Männlicher (im Vordergrund) und weiblicher Anemonenfisch
Geschlechtsdifferenzierung beim Menschen