Erwerb vom Nichtberechtigten


Der Erwerb vom Nichtberechtigten (oft vereinfachend: gutgläubiger Erwerb) ist ein in zahlreichen Rechtsordnungen anerkanntes Rechtsinstitut des Zivilrechts. Die gesetzlichen Regeln schützen dabei ausnahmsweise nicht das Recht an einer Sache, sondern den durch bloßen Besitz ausgelösten Rechtsschein des Rechts zum Besitz. Der Rechtsschein schützt den Rechtsverkehr dahingehend, dass ein Dritter von einem Nichtberechtigten ein Recht erwerben kann, weil der Rechtsschein ihn als Berechtigten ausweist. Hauptanwendungsfall ist der Erwerb von Eigentum an einer Sache, die einem anderen als dem Veräußerer gehört. Rechtspolitisch zielen die Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten darauf ab, den Rechtsverkehr vor massenhaften Rückabwicklungen zu schützen. Der gutgläubige Erwerb ist also ein Instrument des Verkehrsschutzes.

Ein Erwerb vom Nichtberechtigten setzt voraus, dass der Erwerber auf die Richtigkeit eines durch Besitz gesetzten Rechtsscheins vertraut und dieses Vertrauen auch noch schutzwürdig ist. Ein Käufer als Dritter muss beispielsweise glauben, dass der anbietende Verkäufer Berechtigter, also Eigentümer der Sache ist, obgleich er in Wahrheit nur Mieter ist und damit dem wahren Eigentümer den Besitz mittelt. Liegen die vom Gesetz geschützten Erwerbsvoraussetzungen vor, geht das Recht vom Inhaber auf den redlichen Erwerber über, der seinerseits vor einer Inanspruchnahme des früheren Rechtsinhabers geschützt ist. Der frühere Rechtsinhaber, der sein Eigentum verliert, erwirbt zum Ausgleich Ansprüche gegen den nichtberechtigten Veräußerer.

In Deutschland finden sich die wichtigsten Rechtsnormen zum Erwerb vom Nichtberechtigten in §§ 932 bis 936 BGB, die auf bewegliche Sachen zugeschnitten sind, und in §§ 891 bis 893 BGB, die Rechte an Grundstücken zum Gegenstand haben. Diese Vorschriften knüpfen an unterschiedliche Rechtsscheintatbestände an, die den Verfügenden als Inhaber des zu übertragenden Rechts ausweisen. Zu den bedeutendsten Rechtsscheintatbeständen zählen der Besitz und das Grundbuch.

Nach römischem Recht konnten nur solche Rechte übertragen werden, die dem Veräußerer auch tatsächlich zustanden. Aus diesem Grund war es nicht möglich, durch Rechtsgeschäft von einem Nichtberechtigten zu erwerben.[1] Dieses Rechtsprinzip wird mit dem römischen Rechtssatz „Nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet“ zum Ausdruck gebracht.[2] Dieser Satz bedeutet sinngemäß: „Niemand kann ein Mehr an Rechten auf einen anderen übertragen, als er selbst hat.“[3]

Nach diesem Prinzip war insbesondere ein gutgläubiger Eigentumserwerb ausgeschlossen. Verlor der Eigentümer den Besitz an seiner Sache, konnte er diese deshalb vom gegenwärtigen Besitzer kraft seines Eigentums mittels der rei vindicatio herausfordern. Diese Möglichkeit zur umfassenden Durchsetzung des Eigentumsrechts gegenüber dem Rechtsverkehr wird als Vindikationsprinzip bezeichnet.[4]


David Mevius
Sachsenspiegel-Handschrift von 1385 der Stadtbibliothek Duisburg
Porträtmedaillon von Svarez an einer Informationsstele im Luisenstädtischen Kirchpark in Berlin-Mitte
Schematische Darstellung der Wirkung des § 935 Abs. 1 BGB
Erbschein