Leonard Joseph „Lennie“ Tristano (* 19. März 1919 in Chicago, Illinois; † 18. November 1978 in New York) war ein US-amerikanischer Jazzmusiker, Pianist und Multiinstrumentalist, Arrangeur, Komponist und Musikpädagoge. Er wird den Stilrichtungen Bebop, Cool Jazz und Modal Jazz bis zur Vorwegnahme des klassischen Free Jazz der 1960er zugeordnet.
Tristano war zweites von vier Kindern italienischer Einwanderer. Er hatte bereits als Vierjähriger mit dem Klavierspiel begonnen, anfangs unterrichtet von seiner Mutter, die nebenberuflich Opernsängerin und Pianistin war. Als Folge der grassierenden Spanischen Grippe war sein Sehvermögen stark geschwächt, mit zehn Jahren war er völlig blind. 1928 bis 1938 besuchte er in Chicago eine Schule für Blinde, wo er außerdem Musiktheorie, Cello, Klarinette und Tenorsaxophon lernte; anschließend besuchte er bis zu seinem Abschluss 1943 das American Conservatory of Music, wo er eine vorwiegend klassische Ausbildung erhielt. Vor allem widmete er sich Bach. Nebenbei spielte er in Chicago Jazz und begann nach seinem Abschluss zu unterrichten. Zu seinen ersten Schülern in Chicago zählten Lee Konitz und der Komponist Bill Russo.
1946 übersiedelte er nach New York und gründete eigene Combos (Trio bis Sextett), denen insbesondere der Gitarrist Billy Bauer und der Tenorsaxophonist Warne Marsh (der ab 1948 bei ihm studierte) angehörten. Ein weiterer wichtiger Mitspieler war der Altsaxophonist Lee Konitz aus dem Claude Thornhill Orchestra, der damals auch bei Gil Evans und Miles Davis mitspielte. Außerdem spielte er mit Musikern wie Charlie Parker und Dizzy Gillespie. Er erregte so viel Aufmerksamkeit, dass er vom Metronome 1947 zum Musiker des Jahres gewählt wurde (der Metronome-Journalist Barry Ulanov war einer seiner eifrigsten Fürsprecher). Tristano ist mit seiner Gruppe in dieser Zeit neben Evans und Davis mit Gerry Mulligan, John Lewis einer der wesentlichen Schöpfer des aus dem Bebop abzweigenden Cool Jazz. Zu seinen markanten Stücken zählen die im Mai 1949 eingespielten Improvisationen Digression und Intuition auf dem Album Crosscurrents mit Konitz, Marsh, Bauer, Arnold Fishkin (b), Harold Granowsky bzw. Denzil Best (beide dr); den Stellenwert zweier weiterer, in der gleichen Aufnahmesitzung eingespielten Stücke mit freien Improvisationen hat Produzent Pete Rugolo nicht erkannt (die Aufnahmen wurden nicht archiviert).
Tristanos Stil ist besonders hinsichtlich seiner Art interessant, bis zu drei unabhängige Taktarten zu spielen und ineinander zu verweben. 1951 gründete er in New York eine Jazzschule, die erste ihrer Art, bei der u. a. seine Schüler Bauer, Konitz, Marsh und der Pianist Sal Mosca unterrichteten. 1955 entstanden die legendären Titel Requiem, Line Up und Turkish Mambo sowie Live-Aufnahmen mit Lee Konitz, die dann auf seinem Debütalbum Lennie Tristano auf Atlantic erschienen sind.