Orgel


Eine Orgel (von altgriechisch ὄργανον órganon Werkzeug, Instrument, Organ) ist ein über Tasten spielbares Musikinstrument. Sie gehört zu den Aerophonen. Zur Abgrenzung gegenüber elektronischen Orgeln wird sie auch Pfeifenorgel genannt.

Der Klang wird durch skalamäßig angeordnete Eintonpfeifen erzeugt, die durch einen Orgelwind genannten Luftstrom angeblasen werden. Die meisten Orgeln enthalten mehrheitlich Labialpfeifen (Lippenpfeifen), bei denen die Luftsäule im Innern durch Anblasen eines Labiums (wie bei der Blockflöte) zum Schwingen gebracht und damit der Ton erzeugt wird. Sie werden oft durch Lingualpfeifen (Zungenpfeifen) ergänzt, bei denen die Tonerzeugung (wie bei der Klarinette) durch ein schwingendes Zungenblatt erfolgt.

Die drei Hauptteile der Orgel sind: das Pfeifenwerk, das Windwerk (Gebläse, Bälge, Kanäle, Windkasten, Windladen) und das Regierwerk, d. h. der Mechanismus, welcher dem Wind den Zugang zu den einzelnen Pfeifen öffnet (Spieltisch, Spieltraktur, Registertraktur). Der Organist bedient die Orgel vom Spieltisch aus. Die Töne werden über ein oder mehrere Manuale und gegebenenfalls das Pedal angesteuert, denen die Register meist fest zugeordnet sind. Dabei wird die Bewegung der Tasten über die Traktur mechanisch, pneumatisch, elektrisch oder durch Lichtwellen (Glasfaser) zu den Ventilen unter den Pfeifen geleitet. Mit den Registerzügen oder -schaltern ruft der Organist einzelne Pfeifenreihen verschiedener Tonhöhe und Klangfarbe (Register) auf und erzeugt so verschiedene Klangmischungen.

Orgeln sind seit der Antike bekannt und haben sich besonders im Barock und zur Zeit der Romantik zu ihrer heutigen Form entwickelt. Deutschland weist mit rund 50.000 Orgeln weltweit die höchste Dichte an Pfeifenorgeln bezogen auf Fläche und Einwohnerzahl auf.[2] Die UNESCO hat Orgelbau und Orgelmusik 2017 in die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.[3]

Eine kleine, einmanualige Orgel ohne Pedal bezeichnet man als Positiv oder – bei kompakter Bauweise – als Truhenorgel. Tragbare Kleinstorgeln bezeichnet man als Portativ. Eine Spezialform ist das nur mit Zungenpfeifen disponierte Regal.

Größere Orgeln verfügen in der Regel über viele Register, von Großorgeln spricht man ab etwa hundert Registern. Als derzeit größte Orgel der Welt gilt die Orgel der Atlantic City Convention Hall mit 314 Registern und 33.114 Pfeifen. Ihren einstigen Rang als lauteste Orgel der Welt musste sie inzwischen an die nur einregistrige Freiluftorgel Vox Maris in Yeosu (Südkorea) abtreten, die 138,4 dBA erreicht.[4]


Schwalbennestorgel der Kathedrale von Metz (Marc Garnier, 1981, älteste Gehäuseteile von 1538)
Verschiedene Register einer Orgel: Mixtur, Gemshorn 2′, Gedacktflöte 4′, Gedackt 8′ (v. l. n. r.)
Obertonsynthese der Orgel: gespielte Töne (oben), erklingende Töne (unten)
Kalkantenvorrichtung, Magazinbalg und Elektromotor
Ein vereinfachter Funktionsquerschnitt einer kleinen einmanualigen Orgel mit mechanischer Spieltraktur und zwei Schleifladen: Manual und Pedal (gelb), Traktur (rot), Windladen (grün), Schleifen in den Windladen (orange), Pfeifen (blau), Windwerk (oliv). Nicht dargestellt sind der Balg und die Registersteuerung.
Eingebauter Spielschrank
Freistehender Spieltisch
Spielhilfen an einem Spieltisch
Geöffnete Jalousien eines Schwellwerks
Mosaik in der römischen Villa in Nennig (3. Jahrhundert)
Ein Portativ (Gemäldeausschnitt Die Heilige Cäcilie spielt auf der Orgel aus der Mitteltafel des Bartholomäusaltars vom Meister des Bartholomäus-Altars, 1501)
Gotische Orgel in Rysum (um 1440 oder 1457)
Paul (III.) Lautensack an seiner Hausorgel, einem Orgelpositiv ohne Pedal, 1579
Renaissance-Prospekt der Orgel der Johanniskirche in Lüneburg (Hendrik Niehoff und Jasper Johansen, 1553). Die Pedaltürme wurden in der Barockzeit hinzugefügt.
Renaissance-Prospekt der Orgel der Stadtpfarrkirche St. Andrä in Lienz mit den für die Zeit typischen Flügeltüren (Andreas Butz, 1618)
Schematische Ansicht des Werkprinzips („Hamburger Prospekt“).
PW = Pedalwerk, OW = Oberwerk,
HW = Hauptwerk, BW = Brustwerk,
RP = Rückpositiv.
Norddeutsche Barockorgel in Hamburg, St. Jakobi (Arp Schnitger, 1688–1693)
Mitteldeutsche Barockorgel in Waltershausen (Tobias Heinrich Gottfried Trost, 1730)
Südwestdeutsche Barockorgel mit der typischen Anordnung von Hauptwerk und Unterwerk in Bechtolsheim (Johann Philipp und Johann Heinrich Stumm, 1756)
Süddeutsche Barockorgel in Ochsenhausen (Joseph Gabler, 1734)
Französische Barockorgel in Ebersmünster (Andreas Silbermann, 1731)
Italienische Barockorgel der Basilika San Giorgio Maggiore in Venedig (Pietro Nacchini, 1750)
Spanische Barockorgel in Málaga (Julián de la Orden, 1783)
Englische Barockorgel in London-West End St. Paul (Richard Bridge, 1730)
Frühromantische Orgel in Hoffenheim (Eberhard Friedrich Walcker, 1846)
Hochromantische Orgel in Seehausen (Friedrich Hermann Lütkemüller, 1867)
Spätromantische Orgel in der Thomaskirche in Leipzig (Wilhelm Sauer, 1899)
Französisch-symphonische Orgel in Épernay (Aristide Cavaillé-Coll, 1869)
Spieltisch der Wanamaker-Orgel im Lord & Taylor Department Store in Philadelphia
Orgel mit Freipfeifenprospekt aus der Zeit der Orgelbewegung in St. Lukas in München (G. F. Steinmeyer & Co., 1932)
Neobarocke Orgel in Spiesen (Hans Klais, 1959)
Schnitger-Orgel in Neuenfelde nach der Renovierung 1956 (links) und ab 2017 (rechts)
Schnitger-Orgel in Neuenfelde nach der Renovierung 1956 (links) und ab 2017 (rechts)
Schnitger-Orgel in Neuenfelde nach der Renovierung 1956 (links) und ab 2017 (rechts)
Neue Orgel im norddeutschen Barockstil in Oldersum (Jürgen Ahrend, 2004)
Orgel der Basilique de Valère in Sion (Schweiz) aus spätgotischer Zeit, um 1435
Ein möglicher historischer Fingersatz (oben) und eine moderne Variante (unten)
Der Beginn eines Orgelsatzes aus dem Fundamentbuch von Hans Buchner (Komponist), Tabulatur und Transkription mit originalem Fingersatz
Unterschiedliche Pedaltechnik: „barocker“ (oben) und „romantischer“ Fußsatz (unten)
Vormontierter Pfeifenstock in einer Orgelbauwerkstatt …
… und das dazugehörige Gehäuse, in dem er zum Einsatz kommen wird.